12/28/2011

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Aufgewacht vom Knistern neben meinem Ohr. Ich öffne sanft die Augen. Neben mir liegt nicht mehr Marc sondern ein Zettel. Ich richte mich auf und greife nach dem Stück Papier. 
Jolene,
ich musste leider schon eher los, tut mir leid. 
Den Weg zum Bahnhof weiß ich ja selber.
Heute Abend rufe ich dich an, damit du dir keine Sorgen machen
musst.
Kuss, Marc.
P.S. Dein Kaffee steht bereit für dich in der Küche :).
Ein Lachen überkommt mich. Ich falle nach hinten auf mein Bett und muss einfach lachen. Allein, ja allein bin ich wieder. Trozdem muss ich lachen. Mit einem Lächeln im Gesicht stehe ich auch und gehe in die Küche. Tatsächlich steht dort der Kaffee. Und schon wieder habe ich etwas gut bei dir. Ich seufze und nehme die warme Tasse in die Hände. Was nun? Mir fällt der Traum der letzten Nacht wieder ein und ein Schauer huscht über meinen Rücken. Ich gehe duschen um die Angst abzuwischen. Das lauwarme Wasser prasselt in mein Gesicht, läuft weiter über meinen Bauch bis zu meinen Füßen. Dort in die Tiefe gezogen wird sich alles wieder zu einer großen Wassermenge zusammen mischen, schätze ich. Dort ist kein noch so kleiner Wassertropfen mehr allein wie ich. Nichts fühlt sich dann so leer an wie ich. Niemand. Ich steige aus der Dusche und greife nach dem Handtuch. Ich lasse es über meine vernarbte Haut streifen. Das meiste hat mein Bauch und der Rücken abbekommen. Meine Arme etwas, Beine und Gesicht so gut wie gar nichts. Dort sind nur kleine Narben die den Körper verzieren wie schöne Muster. Wie kleine Geschichten aus meiner Kindheit, mit einem riesen Ausmaß. Ich schnappe mir eine Bodylotion. Extra für die Haut eines Krüppels. Die Creme ist nicht so schön wie das Handtuch. Alles fühlt sich angeklatsch und verklebt an. Keine Schicht die meinen Körper schützt, nein, sonderen eine Schicht die ihn noch funkeln und glänzen lässt. Ich hasse es! Verärgert betrachte ich mein Spiegelbild. Was ich sehe ist ein kleines hässliches Kind. Keine 18 jährige junge Frau. 
''Ein Krüppel, nach mehr siehst du doch nicht aus! Mehr bist du nicht, mehr Wert bist du nicht! Nichts bist du!!!'' Stimmen in meinem Kopf brüllen auf mich nieder, machen mich fertig. Schlimmer als ein Schlag ins Gesicht! Schlimmer als ein Schlag in den Bauch! Genauso schlimm und wiederlich wie vergewaltigt zu werden! Alles verzieht sich und die Bewegungen kann ich nur noch zeitlupenähnlich wahrnehmen. Langsam öffne ich die Augen, reiße sie auf so weit und schnell ich kann. Verkrampfe mich, versuche aber auch gleichzeitig aufzustehen. Bewege mich zum Klo und übergebe mich. Tränen fließen wortwörtlich aus meinen Augen, wie Wasserfälle. Langsam bessert sich meine Wahrnehmung wieder, nur noch die Tränen sind im Weg. Keuchend rutsche ich neben die Toilette und lehne mich an die Wand. Ja Mama, ich habe dich angelogen, ich wurde vergewaltigt...

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